Eine Welt auf Augenhöhe – Teil 4

EINE WELT AUF AUGENHÖHE

Als ich im letzten Jahr begann, mich öffentlich für die Gleichstellung einzusetzen, schlug mir von Beginn an Abwehr entgegen. Noch bevor Inhalte zur Sprache kamen, wurde der Begriff „Patriarchat“ zum Stolperstein.

Die häufigsten Reaktionen:

  • „Es gibt doch längst kein Patriarchat mehr.“
  • „Wir haben doch Gleichberechtigung – was willst du eigentlich noch?“
  • absolutes Desinteresse
  • der Hinweis, dass auch Männer Gewalt erleben
  • „Ist es nicht so, dass inzwischen Männer benachteiligt werden?“
  • „Diese Genderei nervt!“
  • „Ich fühle mich als älterer, weißer Mann auch „diskriminiert.“
  • „Der Begriff ist so abgedroschen wie „Emanzipation“.

Erst nachdem einige meine ersten Texte gelesen hatten, änderte sich der Ton. Besonders von männlicher Seite hörte ich plötzlich:
„Ach so, es geht dir ja gar nicht darum, uns Männer anzuklagen.“

Und dann begann eine Diskussion. Zwei Frauen, zwei queere Persönlichkeiten – und mehrere Männer – setzten sich intensiv mit der Frage auseinander:

  • Was ist das Patriarchat wirklich?
  • Gibt es patriarchale Strukturen heute noch?
  • Und falls ja – was wäre zu tun?

Was mich überrascht hat:
Das größte Desinteresse kam nicht etwa von Männern – sondern von vielen Frauen.

Ein Sturm um ein Sternchen

Kaum ein sprachliches Thema wird so hitzig diskutiert wie das Gendern.
Ein Sternchen, ein Doppelpunkt – und schon wird von „Sprachverhunzung“ gesprochen.
Doch beim Gendern geht es nicht um Zwang.
Es geht um Sichtbarkeit.
Wer ist gemeint, wenn von „Politikern“ oder „Ärzten“ die Rede ist?
Warum fühlen sich viele Frauen und nicht-binäre Menschen nicht angesprochen?
Gendern stellt in Frage, was wir für neutral halten – und zeigt, wie viel Macht Sprache hat.
Es ist kein Allheilmittel. Aber vielleicht ein Signal:
Wie tief die Dinge sitzen, die wir für selbstverständlich halten.
Und dass es Zeit ist, sie zu hinterfragen.


Was löste diese Abwehr gegen den Begriff „Patriarchat“ aus?

Vielleicht, weil er unbequem ist.
Weil er infrage stellt, was viele für „normal“ halten: unsere Rollen, unsere Sozialisation, unsere Sprache.
Weil er nicht nach Einzelfall klingt, sondern nach Struktur.
Weil er Schuld hinterfragt – aber Verantwortung verlangt.
Viele verstehen ihn als Angriff auf Männer. Doch das ist er nicht. Das Patriarchat ist nicht „die Schuld der Männer“.
Es ist ein System, das sich selbst erhält – weil es sich tarnt als Normalität.

Vier typische Missverständnisse und was sie verschleiern:

Was viele hörenWas tatsächlich gesagt wird
„Männer sind schuld.“Es geht um Strukturen, nicht um Schuld.
„Feminismus will Männer entmachten.“Es geht um Gleichstellung und nicht um die Umkehr von Macht.
„Der Begriff ist altmodisch.“Der Begriff ist tatsächlich alt, aber die Realität dahinter ist dennoch nicht verschwunden.
„Du sprichst von Ausnahmen.“Ich spreche von Mustern.

Widerstand gegen das Wort bedeutet oft:
Es wird als persönlicher Angriff empfunden – obwohl es um gesellschaftliche Analyse geht.

Auch das Wort „Feminismus“ löst häufig allergische Reaktionen aus.

Einige hören darin Kampf, Trennung, Männerfeindlichkeit.
Doch Feminismus ist nichts anderes als der Einsatz für gesellschaftliche, politische und ökonomische Gleichstellung aller Geschlechter.
Er richtet sich nicht gegen Männer.
Er richtet sich gegen ein System, das alle Menschen einengt – auch Männer.

Feminismus ist keine Umkehr von Macht.
Sondern der Versuch, sie gerecht zu verteilen.

Früher, als Frauen aufstanden und begannen für ihre Rechte und ihre Würde zu kämpfen und alle Welt um mich herum von „Emanzipation“ sprach, stieß ich mich auch an diesem Wort. Klar wollte ich Würde, Selbstbestimmtheit und auch Rechte, aber ich wollte doch nur „ich“ sein, nicht halber Mann, sondern ganze Frau. So sagte ich manchmal: „Ich kämpfe nicht für die Emanzipation – ich kämpfe für die Efrauzipation.“ Heute weiß ich: Genau das ist gemeint.

Auch „Emanzipation“ ist ein Wort, das polarisiert.
Manche verbinden damit das Bild einer kämpferischen Frau, die sich mit erhobener Faust gegen alles stellt, was nach Tradition aussieht.

Frauen müssen nicht männlich werden, um ernst genommen zu werden.
Alle Menschen haben das Recht, ihr Leben unabhängig von Rollenklischees, Konventionen oder Machtverhältnissen zu gestalten.
Emanzipation bedeutet:
frei denken dürfen,
frei entscheiden dürfen,
frei leben dürfen

– unabhängig von Geschlecht, Rolle oder Konvention.

Es ist kein Kampf gegen jemanden.
Sondern ein Kampf für etwas:
Vielfalt. Würde. Gleichwertigkeit.