Soso – ihr rechten, autoritären und antidemokratischen Gruppen beklagt also, dass ihr nicht mehr alles sagen dürft? Ihr tingelt fröhlich durch die Medien, sitzt in Talkshows, haltet Reden auf Bühnen – ungehindert, laut, selbstgerecht. Ihr schreit eure Parolen ins Land und jammert dabei, euch würde der Mund verboten.
Komisch: Ich habe noch keinen von euch in Handschellen vom Mikrofon weggezerrt gesehen. Im Gegenteil – so mancher Vertreter des Rechtsstaats scheint auf dem rechten Ohr taub geworden zu sein, wenn nicht sogar blind gegenüber Volksverhetzung.
Und während ihr euch selbst als Opfer beweint, kippt ihr der Gesellschaft euren völkischen Sprech vor die Füße: Worte wie „Remigration“, „Umvolkung“, „Lügenpresse“, „Systemparteien“, „Volksverräter“, „Asyltourismus“ und all diese Unsäglichkeiten mit ihrer historischen Wucht und menschenverachtenden Bedeutung.
Und dann gibt es da noch die vielen „kleinen“ Akteure: die Nachbarinnen und Nachbarn, Arbeitskolleginnen und Kollegen, die am Stammtisch, beim Familienessen oder in WhatsApp-Gruppen ihre rechten Weisheiten verbreiten. Diejenigen, die in vertrauter Runde Menschen mit rassistischen, sexististischen oder verschwörungsideologischen Sprüchen überschütten und damit den Boden zusätzlich für Hass und Ausgrenzung bereiten. Diese „Einzeltäter“, die mit ihrem ewigen: „Man wird doch wohl mal sagen dürfen!“ durch den Alltag ziehen, sind keine Ausnahmen. Ihre Alltäglichkeit und Normalität ist es, was sie so gefährlich macht. Sie bilden das gesellschaftliche Klima, in dem Hetze und Diskriminierung wachsen und von dem radikale Bewegungen profitieren.
Nicht wahr? Ihr Opfer in Eigeninszenierung! Ja, es gibt da einen Artikel 5 des Grundgesetzes. Der schützt das Recht auf Meinungsfreiheit – sogar sehr weit. Aber: Er schützt nicht vor Widerspruch, Kritik oder gesellschaftlicher Ablehnung. Er schützt auch keine Hetze, keine Beleidigung, keinen Aufruf zur Gewalt. Und er garantiert euch vor allem eines nicht: Applaus. Jedenfalls nicht von uns.
Die Wahrheit ist: Bedroht, beleidigt, attackiert werden nicht die Lauten – sondern die Standhaften. Diejenigen, die sich für Demokratie, Klimaschutz, Wissenschaft, Menschenrechte oder die Natur einsetzen. Die Journalist*innen, Wissenschaftler*innen, Grünen- oder Linken-Politiker*innen, Klimaaktivist*innen – oder ganz normale Bürger*innen. Sie erleben reale Einschränkungen: durch Hassmails, Drohungen, Angriffe, Shitstorms, durch Einschüchterung bis ins Private – bis zur Bedrohung ihrer Familien.
Ihr hingegen – ihr beklagt, man dürfe „nichts mehr sagen“ – meint aber in Wahrheit:
Ihr wollt keine Kritik hören. Keine Gegenrede. Keine offene Gesellschaft, die euch widerspricht.
Das Beispiel aus Thüringen (Grüne unter Polizeischutz, Morddrohungen, Einschüchterungen) zeigt deutlich, wer wirklich zum Schweigen gebracht werden soll:
Nicht die, die menschenverachtende Parolen verbreiten – sondern die, die sich dagegenstellen. Und das ist nur ein Beispiel von vielen.
Ihr habt längst begonnen, die Wirklichkeit umzudeuten. Ihr dominiert Diskurse, indem ihr jede Form von Kritik als Cancel Culture framed. Ihr diskreditiert Medien, die nicht auf eurer Linie sind, ihr macht Parlamente verächtlich und beschimpft engagierte Menschen. Wer euch widerspricht, gilt plötzlich als Gefahr für die Meinungsfreiheit – und wird bedroht.
Diese perfide Umkehr-Strategie ist bekannt – aus allen autoritären Bewegungen weltweit.
Die Meinungsfreiheit ist in Deutschland gesetzlich geregelt – in Artikel 5, Absätze 1 und 2 des Grundgesetzes:
Also –
Du darfst deine Meinung grundsätzlich frei äußern – auch unbequem, kritisch oder gegen die Mehrheitsmeinung gerichtet.
Aber –
Die Meinungsfreiheit ist nicht schrankenlos. Sie endet dort, wo andere Gesetze greifen:
Bei Volksverhetzung, Aufrufen zum Hass – etwa gegen ethnische Gruppen oder religiöse Minderheiten.
Bei Gewaltverherrlichung, Aufrufen zu Straftaten.
Bei der Verbreitung verfassungsfeindlicher Propaganda – etwa NS-Symbolen.
Und überall dort, wo sie den Jugendschutz gefährdet.
Also –
Meinungsfreiheit ist nicht das Recht auf Hetze ohne Widerspruch.
Meinungsfreiheit bedeutet nicht, eure Hassreden zu schützen – sondern jene, die eurem Hass und euren Bedrohungen ausgesetzt sind und sich euren Hetzreden entgegenstellen.

