Patriarchale Strukturen sind nicht immer leicht zu erkennen!
Eigentlich begann es damit, dass ich gerne im Garten geholfen hätte.
Meine Welt war draußen in der Natur, bei den Tieren und bei den Pflanzen. Ich war Kind, neugierig und voller Tatendrang. Aber der Garten war Opas Gebiet – sein Reich, sein Refugium. Ich konnte Beeren pflücken, helfen Kirschen, Äpfel und Nüsse zu ernten oder Spargel stechen, aber Beete anlegen, säen, pflanzen nicht. Dabei sein, wenn es ums Veredeln, ums Schneiden, ums wirkliche Gärtnern ging, durfte ich nie. „Das ist nichts für Mädchen“, sagte Opa beiläufig und so blieb diese Tür damals für mich verschlossen.
Stattdessen sollten wir Mädchen Tisch decken, spülen, abtrocknen und Zimmer aufräumen.
In unserer Familie war das ganz selbstverständlich. Vater verdiente Geld, Mutter bekam Haushaltsgeld. Mein Bruder kümmerte sich ein bisschen um den Hühnerstall. Selbst Kochen war tabu und Sache der Chefin. Backen helfen endete regelmäßig beim langweiligen Halten des Quirls.
Dieses Verhalten meiner Eltern war nicht aus Boshaftigkeit oder bewusster Diskriminierung heraus entstanden. Vielmehr spiegelte es das System wider, in dem sie selbst groß geworden waren und das sie wiederum unbewusst weiterführten. Patriarchale Strukturen waren damals – und oft noch heute – so tief in Gesellschaft und Familien eingebettet, dass sie von den meisten einfach als „normal“ und „selbstverständlich“ wahrgenommen wurden. Meine Eltern handelten nach den Rollenbildern, die ihnen vorgegeben waren. Kaum jemand hinterfragte dieses System. Es war ein Automatismus, der sich über Generationen fortsetzte – ohne dass jemand sich wirklich dagegen stellte oder es als Ungerechtigkeit empfand.
Was ich damals nicht verstand: Ich lebte in einem System, das mir vorgab, was ich konnte, durfte und sein sollte. Und ich war nicht allein.
Beispiel: „Du bist aber für eine Frau ganz schön tough.“
Klingt harmlos und wie ein Lob – aber zeigt, wie tief patriarchale Normen im Alltag verankert sind. Stärke wird mit Männlichkeit assoziiert.
Es verrät, was (nicht) als weiblich gilt – und was überraschend „tough“ genannt wird, weil es nicht ins Bild passt.
Als ich jung heiratete, dachte ich dann auch, es sei eben normal. Ich bekam Geld fürs Einkaufen, für den Haushalt, aber für größere Ausgaben musste ich fragen. Obwohl ich noch zur Schule ging, musste ich nebenher Küche und Wohnung organisieren.
Erst nach der Trennung wurde ich wirklich selbstständig und erst viel später verstand ich auch die Zusammenhänge.
Patriarchat – das klingt groß, fast fremd. Aber es meint genau das: Ein System, in dem Macht, Wissen und Einfluss in erster Linie Männern gehören. In dem Rollen klar verteilt sind – wer entscheidet, wer dient, wer sichtbar ist, wer still bleibt.
Viele denken beim Wort „Patriarchat“ an verstaubte Geschichtsbücher oder an längst vergangene Zeiten. Dabei ist es ein System, das auch heute noch tief in unser Leben eingreift – subtil, alltäglich, wirksam. Nur: Wir sehen es oft nicht. Oder wollen es nicht sehen.
Das Patriarchat ist ein gesellschaftliches Machtgefüge, in dem Männer – bewusst oder unbewusst – strukturell bevorzugt werden. Es betrifft nicht nur einzelne Familien oder Berufe, sondern durchzieht politische, wirtschaftliche, rechtliche und kulturelle Ebenen. Der Begriff stammt aus dem Griechischen patriarchía und bedeutet wörtlich: „Herrschaft des Vaters“.
In einem patriarchalen System sind Männer meist die Entscheidungsträger – in Politik, Wirtschaft, Religion oder Familie. Frauen, nicht-binäre Menschen und viele Männer, die nicht dem klassischen Männlichkeitsbild entsprechen, werden benachteiligt, eingeschränkt oder übergangen.
Das Patriarchat ist kein Einzelereignis – es ist ein Muster. Und genau deshalb so schwer zu fassen.
Was ich damals nicht einfach wie selbstverständlich über unseren Garten lernen durfte, muss ich mir heute mühsam zusammensuchen: In Kursen. Aus Büchern. Aus dem Internet. In Gesprächen mit Menschen, die noch etwas von der alten Praxis wissen.
Woran erkennen wir patriarchale Strukturen heute?
Viele glauben, patriarchale Strukturen seien längst überwunden. Doch ein genauer Blick zeigt: Sie wirken weiter – oft versteckt, manchmal offen.
1. Ungleiches Einkommen:
Frauen verdienen weltweit durchschnittlich weniger als Männer – selbst bei gleicher Qualifikation. Der sogenannte Gender Pay Gap ist ein messbarer Beleg für strukturelle Benachteiligung.
2. Macht und Repräsentation:
In Führungspositionen sind Frauen deutlich unterrepräsentiert – ob in Vorständen, Parlamenten oder Hochschulleitungen. Je höher die Hierarchie, desto männlicher wird es.
3. Rollenbilder in Medien und Werbung:
Noch immer dominieren stereotype Darstellungen: Frauen als fürsorglich, emotional, schön. Männer als rational, durchsetzungsstark, entscheidungsfreudig. Diese Bilder prägen unsere Wahrnehmung – oft unbewusst.
4. Alltägliche Diskriminierung:
Frauen berichten, dass ihre Kompetenz infrage gestellt wird, sie in Meetings unterbrochen werden, oder dass sie in Bewerbungsgesprächen nach Kinderwunsch gefragt werden. Auch unbezahlte Sorgearbeit wird nach wie vor überwiegend von Frauen geleistet.
5. Und ja – es betrifft auch Männer:
Das Patriarchat erzeugt auch für Männer Druck: Sie sollen stark sein, keine Schwäche zeigen, Gefühle verbergen. Wer aus diesem Schema ausbricht, wird oft verspottet oder ausgeschlossen.
Das Patriarchat schadet nicht nur Frauen – sondern allen Menschen, die nicht der Norm entsprechen.
Es geht nicht darum, dass „alle Männer böse“ sind.
Es geht darum, dass sich in vielen Bereichen der Gesellschaft Männlichkeit mit Macht verbindet – und Weiblichkeit mit Pflege, Anpassung, Unsichtbarkeit.
Fazit
Das Patriarchat ist nicht weg. Es ist auch nicht neu. Es ist Teil unseres Alltags – leise, aber bestimmend.
Doch das Gute ist:
Es ist nicht gottgegeben. Es ist menschengemacht. Und was gemacht wurde, kann auch verändert werden.

