EINE WELT AUF AUGENHÖHE
Maria wächst in einem Haus auf, das äußerlich intakt wirkt. Drinnen aber ist es laut – nicht vor Lachen, sondern vor Worten. Worte und Gesten, die wehtun.
Ihre Mutter ist schnell gereizt, oft abwertend: „Kannst du das immer noch nicht?“ oder „Du, immer mit deinen absurden Ideen.“ Wenn Maria etwas sagt, wird sie häufig unterbrochen. Wenn sie weint, heißt es: „Jetzt stell dich nicht so an.“
Ihr Vater bleibt meist still. Er ist selten zu Hause. Eingreifen bedeutet für ihn beschwichtigen. „Du weißt doch, wie deine Mutter ist.“
Später heiratet sie jung. Ihr Mann wirkt charmant, stark, fürsorglich. Doch schon bald legt er fest: Sie ist zuständig für Haus und Kinder, er für Geld und Entscheidungen. Wenn Maria etwas einbringt, heißt es: „Das siehst du falsch, du redest dich da in was rein.“ Er schreit nicht, aber er hört auch nicht zu. Und wenn sie zweifelt, wirft er ihr Undankbarkeit vor. Wenn sie über Probleme reden möchte, lacht er: „Welche Probleme?“
Irgendwann trennt sie sich. Sie erntet totales Unverständnis ihrer Mutter. Sie sei selbst schuld am Scheitern, heißt es. Hilfe? Nein. Stattdessen: „Geh zurück. Du hast einen guten Mann. Er sorgt für dich.“
Die nächste Beziehung beginnt mit vielen Versprechen – doch auch hier bleibt wenig Raum für sie. Gleichberechtigung ist nur ein Etikett. Er gibt ihr zu wenig Haushaltsgeld, lässt sie frieren. Für ihn sind andere immer wichtiger: Sportkollegen, Arbeitskollegen, seine Familie. Er sieht stumm zu, wenn andere sie herabwürdigen. Er trinkt – immer häufiger. Auch diese Beziehung scheitert. Sie geht.
Dann lernt Maria Uwe kennen.
Es beginnt unspektakulär – mit Gesprächen. Doch dieses Mal sind es Gespräche, die stehen bleiben. Er hört zu. Fragt nach. Unterbricht nicht. Er übernimmt Aufgaben, ohne sich zu inszenieren. Kocht, bringt die Kinder ins Bett, plant mit ihr – nicht über sie hinweg.
Natürlich streiten sie auch. Aber es ist ein Streit, der an der Sache bleibt – ohne Abwertung. Ohne Geringschätzung. Nie unter der Gürtellinie.
Zum ersten Mal – sagt Maria – fühlt sie sich sicher. Nicht, weil alles perfekt wäre, sondern weil sie weiß: Sie kann da sein – gleichwertig.
Mit Uwe kann sie auch beruflich Fuß fassen. Ihre Ideen werden gehört, nicht belächelt. Ihre Stimme zählt.
Marias Geschichte zeigt, wie sich etwas verändert, wenn Gleichstellung nicht nur ein Wort ist, sondern gelebter Alltag. Und gemeinsam bieten sie den Kindern ein anderes Vorbild für ihre eigene Zukunft.
Wie sich eine gleichgestellte Welt anfühlt
Eine Welt ohne patriarchale Strukturen ist keine Utopie, sondern eine Möglichkeit. Sie zeigt sich in alltäglichen Momenten:
- Ein Junge singt im Schulchor über seine Gefühle – und bekommt Applaus.
- Eine Frau wird Ingenieurin – und niemand wundert sich.
- Ein Vater nimmt Elternzeit – und es gilt als selbstverständlich.
- Führungskräfte arbeiten auch in halben Stellen – und Verantwortung wird geteilt.
Es sind kleine Szenen. Aber sie machen den Unterschied.
Was Gleichstellung bedeutet – und was nicht
Gleichstellung heißt nicht, dass alle gleich werden. Sondern, dass alle frei sind, unterschiedlich zu sein.
Es bedeutet:
- Keine festgeschriebenen Rollen mehr.
- Gerecht verteilte Sorgearbeit – gesellschaftlich anerkannt.
- Macht nicht über Lautstärke, sondern über Verantwortung.
- Männer dürfen weich sein, Frauen stark.
- Queere Menschen dürfen selbstverständlich gleichwertig und sichtbar sein.
| Irrtum | Mögliche Wirklichkeit |
| Frauen müssen „männlich“ werden. | Frauen dürfen sie selbst sein – mit allen Facetten. |
| Männer werden entmachtet. | Männer werden entlastet – von Rollenzwängen. |
| Alles wird gleich gemacht. | Gerecht heißt nicht gleich, sondern fair. |
Wegfallen können: Angst, Rollenzwänge, Machtmissbrauch.
Wachsen kann: Zusammenarbeit, Fürsorge, echte Kompetenzverteilung.
Eine Sprache, die Vielfalt sichtbar macht. Bildung, die nicht nach Geschlecht, sondern nach Stärken fragt. Politik, die Fürsorgearbeit mitdenkt.
Frauen brauchen nicht zu Männern werden und Männer nicht zu Frauen – aber jeder zu dem, was seiner eigenen, wirklichen Persönlichkeit entspricht.
Es ist nicht die perfekte Welt. Aber eine gerechtere.
Noch sind wir nicht dort. Aber wir sind unterwegs.
Jede Veränderung beginnt im Kleinen: in Gesprächen, in Familien, in Beziehungen.
Eine bessere Zukunft heißt nicht Perfektion – sondern Gleichstellung,
Freiheit und Respekt im Alltag.“

