Richterin Brosius-Gersdorf ist eine erfahrene und unabhängige Juristin, die das Grundgesetz noch ernst nimmt – und genau das gilt in der heutigen politischen Landschaft als Gefahr. Statt einer sachlichen Auseinandersetzung wird sie zur Zielscheibe einer orchestrierten Kampagne aus Desinformation, politischem Opportunismus und moralischer Empörung. Dieser Text zeigt, wie der Rechtsstaat zunehmend durch Populismus und Machtinteressen unterminiert wird – und wie Mut und Unabhängigkeit heute zum politischen Risiko werden.
Jetzt mal ganz ehrlich:
Wer braucht schon einen Rechtsstaat, wenn wir ein Bauchgefühl haben?
Richterin Brosius-Gersdorf war offenbar zu gefährlich. Nicht, weil sie mit Fackelzügen vor Asylunterkünften steht, sondern weil sie das Grundgesetz ernst nimmt. Ein unverzeihlicher Fehler im Deutschland von heute.
Denn echte Demokraten erkennt man nicht mehr an ihrer Haltung zum Recht, sondern an ihrer Bereitschaft, es zu verbiegen. Und wehe, jemand besteht darauf, dass Gerichte unabhängig sein sollen – das klingt schon verdächtig nach Verfassungsfeindlichkeit.
Also startet man eine Kampagne. Keine Debatte, nein. Eine orchestrierte Säuberungsaktion mit Desinformation bis hin zur offensichtlichen Lüge, moralisierter Empörung und politischem Rückgrat aus Gummi. Unterstützt von CSU-Kadern, einem Teil der CDU und Kirchenmännern, die das Wort „Gerechtigkeit“ offenbar nur noch in Latein ertragen.
Früher hat man Bücher verbrannt. Heute reicht ein FAZ-Interview.
Was jetzt droht, ist kein Streit um Personalien – sondern der nächste Nagel im Sarg eines Rechtsstaats, der immer leiser atmet.
Wo Richter*innen Angst haben müssen, auf der falschen Seite der Empörungsmaschine zu stehen. Und sind sie nicht willig zu schweigen, sich dem Gemunkel unterzuordnen oder freiwillig zu weichen, dann werden sie und ihre Familien eben überzogen mit Beleidigungen, Drohungen und Ermordungswünschen.
„Wir schützen unsere Demokratie“, rufen sie.
Was sie aber meinen: Wir räumen auf. Mit denen, die sie verteidigen, diese Demokratie.
Und angesichts dessen:
Was erlaubt sich diese Frau eigentlich? Jahrzehntelange Erfahrung als Juristin, unbestechlich, hochdekoriert, unparteilich – das klingt mehr als verdächtig. Wer heute noch Rechtssicherheit höher bewertet als „rechte“ Sicherheit, hat in einer konservativ aufpolierten Verfassungsästhetik nichts verloren. Das Grundgesetz mag zwar bestehen, aber es muss sich doch auch mal ein bisschen anpassen – an das Gefühl der Leute, dass da irgendwas nicht mehr stimmt.
Und wenn man dann ein Interview gibt – mit eigener Meinung! – dann ist das nicht etwa juristische Freiheit, sondern natürlich linksradikaler Aktivismus. Merke: Unabhängigkeit ist nur dann erlaubt, wenn sie sich an die Meinung von AfD und gewisser Leute aus CSU und CDU hält.
Der neue Maßstab für Verfassungsrichter lautet nämlich:
- Nachweislich nie in einem Grundgesetz geblättert
- Mindestens zweimal öffentlich das Gendersternchen als Untergang des Abendlandes gebrandmarkt
- Und bitte: kein zu sauberes Vorleben – man darf ja nicht auffallen unter den anderen.
Aber immerhin: Die Schmutz-Kampagne ist mustergültig.
- Ein gehöriger Schuss Desinformation
- Zwei Prisen Halbwahrheiten
- Und ordentlich Unterstützung von all jenen, die ihre Kirchenbänke gern mit nationalem Weihrauch parfümieren.
Und voilà: Eine Frau, die zu unabhängig ist, zu kompetent, und zu wenig bereit, die Demokratie an rechte Gralshüter zu verkaufen, wird zur Staatsfeindin erklärt.
Am besten ersetzt man sie gleich durch jemanden der glaubt, dass Rechtsstaatlichkeit ein Trend von früher ist, so wie Nachhaltigkeit oder Lesekompetenz.
Vorschau:
Der nächste souveräne Richter, die nächste kompetente Richterin wird zum Schweigen gebracht, der nächste Artikel geht viral, der nächste Kommentar setzt den Rechtsstaat in Anführungszeichen.
Die Feinde der Freiheit und der Gerechtigkeit atmen erleichtert auf:
Wieder eine unabhängige Stimme weniger.
Wieder ein Signal mehr:
Wer das Grundgesetz ernst nimmt, steht bald allein.
Was bleibt, ist ein Echo:
von Mut, der zur Gefahr erklärt wird.
Von Recht, das in die Defensive gezwungen wird.
Von einer Gesellschaft, die zusehends ihr Rückgrat verliert –
mit freundlicher Genehmigung all derer, die angeblich „die Mitte“ sind.
Die Frage ist nur:
Wer wird jetzt noch wagen, aufzustehen?

